Falstaff
COMMEDIA LIRICA IN DREI AKTEN (1893)
Musik von Giuseppe Verdi
Text von Arrigo Boito nach »The Merry Wives of Windsor«von William Shakespeare
Medien
ERSTER AKT
Erster Teil – Dr. Cajus ist aufgebracht: Falstaffs Kumpane Bardolfo und Pistola haben ihn letzte Nacht betrunken gemacht und anschließend bestohlen. Sir John Falstaff lässt sich von den Vorwürfen nicht beirren und schickt ihn unverrichteter Dinge wieder fort – nicht ohne sogleich Bardolfo und Pistola für ihren stümperhaft ausgeführten Diebstahl zu tadeln. Jedoch plagen ihn, der bereits bessere Zeiten gesehen hat, ebenfalls pekuniäre Sorgen, da die ganze Truppe weit über ihre Verhältnisse lebt. So kommt Falstaff auf die Idee, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden und den attraktiven, aber verheirateten Damen Alice Ford und Meg Page per Liebesbrief Avancen zu machen – schließlich eignen sie sich nicht nur zur Demonstration der niemals versiegenden Verführungskünste des in die Jahre gekommenen Falstaff, sondern bieten als gut situierte Damen durchaus auch finanzielle Anreize. Bardolfo und Pistola verweigern mit Verweis auf ihre Ehre die Übergabe der unmoralischen Liebesbriefe. Falstaff schickt den Pagen Robin, die Briefe zuzustellen, liest Bardolfo und Pistola die Leviten und jagt sie davon.
Zweiter Teil – Kaum erreichen die Briefe ihre Adressatinnen, zeigen sich die vermeintlich Angebeteten gegenseitig die Schriftstücke und stellen fest, dass sie – bis auf die Anrede – komplett gleichlauten. Alice und Meg brennen darauf, es Falstaff heimzuzahlen, und hecken mit Mrs. Quickly und Alices Tochter Nannetta einen Plan aus: Falstaff soll zu einem Rendezvous bei Alice eingeladen werden, wo man ihn hereinlegen könne. Mrs. Quickly wird als Botin auserkoren, Falstaff die Nachricht persönlich zu überbringen.
Unterdessen haben Bardolfo und Pistola, sich davon eine Belohnung versprechend, die Seiten gewechselt und enthüllen Mr. Ford Falstaffs Eroberungspläne. Das Misstrauen des stets eifersüchtigen Ford ist geweckt, die Treue seiner Frau hält er solchem Ansturm für nicht gewachsen. Mit Cajus, seinem Wunschschwiegersohn, und Fenton entwickelt auch er einen Plan: Bardolfo und Pistola sollen – scheinbar bereuend – zu Falstaff zurückkehren, um Ford unter falschem Namen eine Audienz zu verschaffen, damit dieser herausfinden könne, wie die Antwort seiner Frau ausgefallen ist.
Derweil hüten auch Nannetta, die Tochter der Fords, und Fenton ein Geheimnis: Sie sind frisch verliebt und nutzen jeden unbeobachteten Moment, um Zärtlichkeiten auszutauschen.
ZWEITER AKT
Erster Teil – Wie geplant geben sich Bardolfo und Pistola Falstaff gegenüber zerknirscht und stellen sich erneut in seine Dienste. Kaum angekommen, kündigt sich Besuch an: Mrs. Quickly wickelt Falstaff ein, indem sie ihm den Erfolg seiner Liebesbriefe verkündet. Sowohl Meg als auch Alice würden sich in Liebe zu ihm verzehren. Während Meg rund um die Uhr von ihrem Ehemann bewacht würde, sei Mr. Ford jeden Tag von zwei bis drei Uhr nachmittags außer Haus. Falstaff sieht sich bereits am Ziel und Alice in seinen Armen.
Gleich darauf folgt der nächste Gast: Ford, der sich als vermögender Signor Fontana vorstellt. Er sei unsterblich in die schöne Alice verliebt, aber bislang von ihr abgewiesen worden. Nun solle Falstaff als aussichtsreicherer Kandidat die Spröde zuerst verführen, damit er, Fontana, nach einem bereits begangenen Ehebruch ein leichteres Spiel habe – gegen entsprechende finanzielle Anerkennung. Von solcher Aussicht begeistert, willigt Falstaff gern ein und berichtet von dem soeben eingefädelten Stelldichein. Ford ist fassungslos.
Zweiter Teil – Mrs. Quickly kündigt Alice Falstaffs baldiges Kommen an. Alice ist mit Meg und Nannetta dabei, alles für das Rendezvous zu richten. Dabei erzählt Nannetta weinend von den Verheiratungsplänen ihres Vaters. Die Freundinnen halten den ältlichen Cajus ebenfalls für unpassend und versprechen Hilfe. Dann ziehen sich alle zurück, denn der erwartete Falstaff erscheint und überhäuft Alice mit Schmeicheleien. Viel Zeit bleibt ihm nicht, denn kurz darauf stürzt Meg herein, um wie geplant vor der angeblichen Ankunft des eifersüchtigen Ford zu warnen. Während Falstaff ein Versteck sucht, vermeldet Mrs. Quickly überraschend die tatsächliche Ankunft des rasenden Ehemanns. Dem ursprünglichen Plan entsprechend wird Falstaff im dafür bereitgestellten Wäschekorb verstaut. Ford durchsucht samt Cajus, Bardolfo und Pistola das Haus, wird aber nirgendwo fündig, ehe er hinter einem Paravent ein verdächtiges Geräusch wahrnimmt. Statt Falstaff und Alice findet er jedoch nur seine Tochter und Fenton beim Küssen vor. Alice setzt davon unberührt den letzten Teil ihres Spaßes mit Falstaff in die Tat um und lässt den Wäschekorb samt schwerer Fracht in den nahegelegenen Fluss entleeren.
DRITTER AKT
Erster Teil – Ob seines Misserfolgs ist Falstaff äußerst verstimmt und voller Groll gegen die ganze Welt. Nur mit Mühe kann ihn Mrs. Quickly davon überzeugen, dass das Missgeschick nicht auf Alice zurückgehe. Sie lädt ihn zu einem weiteren, diesmal mitternächtlichen Liebestreffen im Freien. Falstaff willigt ein.
Währenddessen hecken die mittlerweile versöhnten Fords den zugehörigen Plan aus: Am Treffpunkt sollen kostümierte Fabelwesen Falstaff einen gehörigen Schrecken einjagen. Die Frauen treffen hierfür die Vorbereitungen. Ford instruiert Cajus, dass er während des Trubels Nannetta entführen und heiraten solle. Jedoch wird dieses Gespräch von der findigen Mrs. Quickly belauscht.
Zweiter Teil – Alice ist nicht gewillt, ihre Tochter Cajus zu überlassen, und vertauscht kurzerhand die Verkleidung, an der Cajus Nannetta in der Nacht erkennen will. Falstaff nähert sich unterdessen dem Treffpunkt. Wieder ist ihm und Alice nur ein kurzer Moment vergönnt, ehe die Maskerade startet. Allerlei dunkle Gestalten fallen über Falstaff her und wollen ihn zur Reue zwingen. Schließlich erkennt Falstaff in dem Mob Bardolfo und durchschaut so das Treiben. Ford triumphiert über Falstaff und möchte die Maskerade mit der Vorstellung des frisch vermählten Paares krönen. Allerdings muss Cajus erkennen, dass sich unter dem Schleier Bardolfo verbirgt. Alice präsentiert die verheiratete Nannetta mit Fenton an ihrer Seite und klärt die Verwechslung auf. Falstaff resümiert, dass in diesem Spiel wirklich alle übertölpelt worden sind.
Sieg für Michael Volle.
rbb Kulturradio, 26. März 2018
Michael Volle gibt in dieser Produktion sein Debüt in der Titelrolle, und die Souveränität, mit der er in dieser dicht geschriebenen Partitur seine Freiräume nutzt, ist atemberaubend. Selten erlebt man einen derart schlüssigen Zusammenhang zwischen Gesang und Aktion wie bei diesem Bariton.
Berliner Zeitung, 27. März 2018
Unbedingt erwähnenswert ist noch Nadine Sierras Nannetta, deren fruchtiger Sopran jene Jugendlichkeit ausstrahlt, in der man sich noch Hoffnung machen kann.
Berliner Zeitung, 27. März 2018
Nichts wird hier platt im natürlichen Fluss der situativen Drehungen und Pointen, auch kleine Details wie ein kurzer, aber unübersehbar Distanz schaffender Gesten- und Blickwechsel zwischen Barbara Frittolis körperlich wie geistig fitter Alice Ford und Jürgen Sachers staubtrockenem Cajus finden Platz und Aufmerksamkeit.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. März 2018
Auch sängerisch gab es konstant hohes Niveau und als Überwölbung einiges, was den Tag überleben dürfte. Vielleicht schon der kernig durchdringende, aber auch in seinen Zweifeln bis hin zur psychischen Selbstverletzung ungewöhnlich tief lotende Ford von Alfredo Daza – eine ausgehöhlte Existenz, die einem dennoch nahegeht; ganz gewiss aber Nadine Sierras entzückende, aus ihrem dekadent wohlstandsverwahrlosten Umfeld frühlingshaft frisch entschwebende Nannetta und Michael Volle, der mit der Titelrolle in einer Weise debütierte, als habe er sich eine ganze Laufbahn auf diesen Falstaff vorbereitet: als Kneipenphilosoph, Kommunen-Leithirsch und Mann eigenen Weges, bei allen spontanen Ausfällen reflexionsfähig und gewitzt genug, um zu wissen, dass seine Zeit vorbei ist – und dennoch das Beste daraus machen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. März 2018
In Michael Volle findet er [Mario Martone] ohnehin die Idealbesetzung für die Titelfigur. Wie sehr dieser Ausnahmesänger mit seinem Rollen verschmilzt, hat man in Berlin schon oft erleben können, zuletzt als Orest in ‚Elektra‘. Wenn er als Falstaff Weib und Wein preist, strömt es warm, drischt er Phrasen, röhrt es hohl, wenn er spottet, klingt er ölig, nölt und fiepst im Falsett.
Berliner Morgenpost, 27. März 2018
Verschwenderischen Wohlklang verströmen Barbara Frittoli als Alice Ford, Katharina Kammerloher als Meg Page und Nadine Sierra als Nannetta, zumal bei ihr und Francesco Demuros Fenton der emotionale Glutkern der Oper liegt – ihre vielen kleinen Liebesduette und Verzweiflungsausbrüche sind zum Hinschmelzen.
Berliner Morgenpost, 27. März 2018
Daniel Barenboim kitzelt mit seiner Staatskapelle lustvoll die vielen parodistischen und satirisch zuspitzenden Momente heraus, die Travestien religiöser Melodien, das Spuk- und Sprunghafte des Geister-Finales. Darunter aber spannt er einen warmen Grundton, ein waches Wirken und Weben, das diesen Abend trägt: das menschenfreundliche Lächeln eines altersweisen Komponisten.
Berliner Morgenpost, 27. März 2018