Babylon
Oper in sieben Bildern (2012/2019)
Musik von Jörg Widmann
Text von Peter Sloterdijk
Medien
VORSPIEL VOR DEN RELIKTEN DER MAUERN EINER VERWÜSTETEN STADT
Auf den Trümmern einer Ruine verflucht der Skorpionmensch die städtische Zivilisation. Der Klang von sieben Schofaroth erinnert an die Zerstörung von Jericho.
1. BILD IN DEN MAUERN VON BABYLON
Die Seele, fremd in der babylonischen Welt, beklagt ihre Einsamkeit. Einst war sie eng mit ihrem »Bruder« Tammu verbunden. Der jüdische Exilant Tammu bewegt sich als Grenzgänger zwischen den Kulturen. Er hadert mit seinem Liebesbegehren zu der Babylonierin Inanna, die als Priesterin der gleichnamigen Liebesgöttin sexuelle Freizügigkeit vertritt. Inanna gelingt es, Tammus Zweifel an ihrer Treue zu zerstreuen und gibt ihm eine Droge, durch die er die »Wahrheit« über Babylon und die Liebe im Traum erfahren
soll.
2. BILD FLUT UND STERNENSCHRECKEN
Im Traum erlebt Tammu zunächst die Schrecken der babylonischen Sintflut. Das Planetenseptett berichtet
von der Katastrophe, die die Welt veränderte. Der Fluss Euphrat, der damals in ein vernichtendes Meer verwandelt wurde, klagt den Himmel an: Warum wurde nahezu alles Leben ausgelöscht? Der Priesterkönig erhebt sich zum neuen Beschützer und Gesetzgeber der Babylonier: Damit die Flut niemals wiederkehrt, müssen Opfer gebracht werden. Die jährliche Opferung eines Menschen soll die Götter gnädig stimmen.
3. BILD DAS NEUJAHRSFEST
Tammu hört die Stimme Inannas, doch bekommt er sie nicht zu fassen. Die Babylonier feiern ein orgiastisches karnevalsähnliches Fest. Unterbrochen werden die ausschweifenden Feierlichkeiten von der Gemeinde der jüdischen Exilanten, die sich zusammengefunden hat, um die Heilige Schrift entstehen zu lassen. Erneut sieht sich Tammu mit der Frage nach Zugehörigkeit und Identität konfrontiert.
4. BILD AN DEN WASSERN VON BABYLON
Der Prophet Ezechiel diktiert dem Schreiber seine göttlichen Eingebungen. Als Ezechiel von der Sintflut
spricht, gerät Tammu in Konflikt mit dem Propheten und Vorsteher der Juden, indem er diesem vorwirft, die babylonische Fluterzählung einfach übernommen zu haben. Tammus Einwände werden nicht gehört, stattdessen betont Ezechiel die Unterscheidung der Völker voneinander durch das Wort Gottes. Er setzt die Geschichte der Sintflut und Noahs Arche fort, allerdings mit einer entscheidenden Änderung: statt seines Sohnes habe Noah zum Dank für sein Überleben Tiere geopfert. Daraufhin habe Gott versprochen,
die Erde nie wieder zu verfluchen. Ein Bote der Babylonier verkündet, dass Tammu den Göttern als Opfer dargebracht werden soll. Der Priesterkönig lässt Tammu gefangen nehmen, der sich erfolglos zu wehren versucht.
Pause
5. BILD DAS OPFERFEST
Das Opferritual wird vorbereitet. Der Priesterkönig verweist auf die Unterscheidung der Gläubigen von
den Ungläubigen. Er unterzieht sich einem Bußritual und lässt sich von einem Priester ohrfeigen, wodurch er im Amt bestätigt wird. Während Tammu von den Babyloniern geopfert wird, begehren die jüdischen Exilanten auf: eine Gruppe ruft klagend den Himmel an, während eine andere Babylon verflucht.
6. BILD INANNA IN DER UNTERWELT
Inanna ist fassungslos über den Tod ihres Geliebten und beschließt, in die Unterwelt hinabzusteigen,
um »Schwester Tod« zu überzeugen, Tammu aus dem Todesreich freizugeben. Beim Durchschreiten der sieben Höllentore werden ihr nach und nach alle Schmuck- und Kleidungsstücke abgenommen, sodass sie dem Tod am Ende nackt und schutzlos gegenüber tritt. Inanna überredet den Tod, den seine immer gleiche Aufgabe erschöpft und ermüdet hat, eine Ausnahme zu machen und führt Tammu aus der Unterwelt hinaus.
7. BILD DER NEUE REGENBOGEN
Inanna und Tammu sind vereint. Ein neuer Vertrag zwischen Erde und Himmel wird geschlossen. Das
Regenbogenseptett verkündet eine neue völkerverbindende Ordnung der menschlichen Zeit. In der Siebentagewoche soll jeder Gott in Babylon seinen Tag bekommen. Ein Kind erinnert die Menschen, ihre eigene Verantwortung nicht an die Götter zu delegieren. Die Seele löst sich in ein Licht auf, das künftig für alle scheinen soll.
NACHSPIEL DAS STERNBILD DES SKORPIONS
Auf den Trümmern reflektiert der Skorpionmensch seine Gedanken und sticht sich selbst. Zwei Kinder
singen einen Abzählreim.
»Bei Christopher Ward […] ist diese Partitur in den besten Händen; die Staatskapelle und auch der vielfältig aufgefächerte Staatsopernchor zeigen eine schlicht beeindruckende Leistung.«
Berliner Zeitung, 11. März 2019
»Kriegenburg und Harald Thor haben ein beeindruckendes Bühnenbild geschaffen, ein von verschiedenen Kulturen besetztes, verfallendes Hochhaus, dessen Etagen auf und nieder fahren.«
Berliner Zeitung, 11. März 2019
»Der junge Dirigent Christopher Ward, der für Daniel Barenboim eingesprungen ist, zaubert mit der Staatskapelle feurigen Klang aus dem Graben.«
Tagesspiegel, 11. März 2019
»Widmann, der für Berlin eifrig an der Partitur gearbeitet und gegenüber München manches gestrichen und neu komponiert hat, schafft es, Atmosphäre heraufzubeschwören.«
Tagesspiegel, 11. März 2019
»Große Oper kommt mit Marina Prudenskaya auf die Bühne, die als Euphrat zornig den Himmel anklagt, weil er die Sintflut geschickt hat. Stark auch die Bässe: John Tomlinson als Priesterkönig, David Ostrek in einer Nebenrolle als jüdischer Schreiber.«
Tagesspiegel, 11. März 2019
»Ja, es gibt sie noch. Die zeitgenössische Vollblutoper, die Herzblut verströmt und sich die Seele aus dem Leib schreit. Jörg Widmanns ›Babylon‹ ist so ein Werk, das einen packt und schüttelt«
Berliner Morgenpost, 11. März 2019
»Er [Christopher Ward] hält die Zügel schwungvoll in der Hand, entlockt dem Orchester die erstaunlichsten Farben«
Berliner Morgenpost, 11. März 2019
»Marina Prudenskaya verkörpert den Euphrat als dramatische Urgewalt, während Otto Katzameier einen eindrucksvollen Tod zwischen Lachen und Weinen darstellt.«
Berliner Morgenpost, 11. März 2019
»Mojca Erdmanns Seele und Susanne Elmarks Inanna leuchten mühelos über den Orchesterwogen, Marina Prudenskaya gibt dem singenden Euphrat stimmliche Tiefe, während der wunderbare Countertenor Andrew Watts als Skorpionmensch fasziniert.«
BR Klassik, 10. März 2019
»Einspringer Christopher Ward, der bei der Münchner Aufführung mitgewirkt hatte, steuerte […] souverän durch die massige Partitur.«
Süddeutsche Zeitung, 14. März 2019
»Sie [Inanna] ist die lustvoll herrschende Frauenfigur des Stücks und erfährt durch Susanne Elmarks mächtigen Sopran schillernde, durchdringende Präsenz. Die Sintflut wird durch den personifizierten Euphrat als Weltkatastrophe manifestiert, Marina Prudenskaya gibt dem Fluss den aufgewühlten Klageton.«
Süddeutsche Zeitung, 14. März 2019